Dartmoor 2002 – Der Beginn des Weges mit Carolyn Hillyer, morgens um 6 Uhr
48 Jahre gelebtes Leben. Zuviel für andere, zu wenig für mich. Zu oft ja gesagt, zu wenig nein. Zu schwer, zu viel, nicht von mir, für mich.
Nun gehe ich diesen schmalen Weg durchs Moor zusammen mit den anderen Frauen und Carolyn Hillyer.
Ich habe nicht die richtigen Schuhe an „kannst Du mal was richtig machen?“ sagt eine Stimme. „Du schaffst das eh nicht, gib auf, bleib hier bei uns, bleib berechenbar, gib uns deine Medizin Shaman-ca, verlasse uns nicht, du kannst uns doch nicht im Stich lassen, wir brauchen dich doch“, sagen die anderen Stimmen, wohlbekannte Stimmen. Da stehen sie um mich herum, die Leute hier von zu Hause und wollen mich aufhalten, weil sie Angst haben die Bequemlichkeit zu verlieren, die Silvia, die immer da ist, zuhört, tröstet, rät und nicht nach sich fragt. Sie stehen mir im Weg.
Da bin ich nun, mit übervollen Händen und einem leeren Herzen. Der Weg wird immer beschwerlicher. Steil geht es die Hänge hinauf. Wir durchqueren den ersten Fluß. Die Steine sind glitschig. Die Frauen bilden eine Kette und helfen mir, zeitweise tragen sie meinen Rucksack, um mir die Last zu erleichtern. Zum ersten mal sind da wildfremde Menschen, die ohne große Worte einfach da sind. Die Irin gibt mir die Hand, gibt mir ein Stück ihrer Kraft, es hilft.
Ich will sie nicht mehr hören, die Stimmen, die mich zurückhalten wollen! Ich lasse sie immer mehr hinter mir, die „falschen“ Freunde, die nur ihren Eigennutz sehen.
Etwas in mir, die Kämpferin, sagt immer klarer und lauter nein! Ich gebe nicht auf, das ist mein Weg zurück zu mir. Ich stolpere, falle hin, Schmerz durchzuckt mich, der Knöchel, das Knie, aber ich stehe auf und gehe weiter. Ich bekomme kaum Luft vor Schmerzen, es tut so weh, aber ich gehe weiter. Carolyn kommt zu mir, nimmt mich in den Arm, sagt, dass sie mich bewundert und dass sie weiß, warum ich mich diesen Weg quäle. Sie glaubt an mich!
Tief aus mir, aus dem Land kommt die Kraft weiterzugehen.
7 Tore durchschreiten wir, Innanas Abstieg in die Unterwelt. An jedem Tor lassen wir Geschenke und etwas von uns zurück. Mit jedem Schritt wird es leichter, an jedem Tor lasse ich etwas zurück. Die Hüterinnen der Tore geben den Weg gerne frei.
Ich durchquere den nächsten Fluss und patsch-patsch fällt es von mir ab. Sie bleiben stehen und werden immer kleiner. Sie haben keine eigene Kraft, sind so hilflos und hangeln sich von Lüge zu Lüge, vor allen Dingen Lebenslügen und sie nährten sich von meiner Kraft. Was habe ich schon zu verlieren wenn ich weitergehe? Nichts was Bestand hatte, nichts als schöne und leere Worte, denen ich nicht mehr glaube.
Dort oben auf dem Pass, da stehen die Alten, die das Land behüten seit tausenden von Jahren, sie warten auf mich, feuern mich an. Ich keuche den Berg hoch und wundere mich, immer noch Kraft zu haben. Ich gebe nicht auf! Ich nehme einen Stein mit, um ihn in die Mitte des Steinkreises oben zu legen. Talking stones, Uralte Steine, uraltes Wissen um das Gefüge von Liebe und Freundschaft.
Dann erreichen wir auf der letzten Berghöhe den Steinkreis. 28 Mondsteine und eine Hüterin, der Frauenkreis und der zweite Kreis, der Männerkreis. Sie erwarten mich, freuen sich mit mir. Sie bringen Geschenke. Liebe, Kraft, Wissen, Einheit…. und vieles mehr. Ich habe es geschafft! Ich gebe nie wieder auf!
Ich schließe die Augen lehne mich an den Stein im Frauenkreis. Vor meinen Augen mein Pfeil, mein Bogen, mein Stein. laut und deutlich sagen sie mir, das ist das Siegel für einen neuen Weg, für immer!
Ich gehe in den Männerkreis und werde auch dort freudig begrüßt und gesegnet. Der Jäger wird mir später ein Geschenk geben, dass mir die Kraft zurückbringt, die andere Männer mir geraubt haben.
Zum Schluss, als ich auf dem Schnittpunkt der beiden Kreise stand, war die Moira, die Hüterin der Moore neben mir und flüsterte mir ihr Geheimnis ins Ohr, nur für mich. Ich stehe im Wind, zwischen den Welten, zwischen den Kreisen und singe hinaus die Farben meines Weges. Traurigkeit fällt ab, Müdigkeit fällt ab, all die kleinen unscheinbaren Lügen fallen ab die sie mir gesagt habe, zum Selbstzweck um mich bei sich zu behalten.
Ich bin glücklich, ich spüre wieder meine eigene Kraft und ich kann zurückgehen in mein Leben. Ich bin auf wunderbare Weise müde, aber auch so kraftvoll und jung.
Ich gebe niemals auf meinen Weg zu gehen! Und ich werde nicht mehr auf Euch hören und Euch nicht mehr nah sein!
Ich erzähle die Geschichte im Abschlusskreis. Die Frauen sind bewegt und sie sagen, dass ich den Weg für die Frauen gegangen bin, die keinen Mut mehr haben. Dass sie die Geschichte, die Erinnerung daran mitnehmen werden und an ihren Feuern erzählen werden, wenn sie keinen Mut mehr haben.
Ich danke Carolyn, den Frauen, dem Weg, den Alten und allen die mir geholfen haben. Ich bin auf dem Weg zu mir nach Hause, zu Sibylle.