Mutter

Ich habe nicht
leben gelernt an der Frau
die mich geboren hat.
Ich habe nicht
vertrauen gelernt an den Menschen
mit denen ich aufgewachsen bin.
Ich habe nicht
zärtlich sein gelernt an den Menschen
die mich berührten.
Ich habe nicht
lieben gelernt an den Menschen
die zu mir davon sprachen.
Ich habe nicht
trösten gelernt an den Menschen
die mich verletzten.
Ich habe nicht
schützen gelernt an den Menschen
die mich schutzlos preisgaben.
Ich lernte
mutig sein in meiner Angst
stark sein in meiner Verzweiflung
erwachsen sein in meiner Kindheit.
Ich lernte
Masken zu tragen,
meine Träume zu verbergen,
dass Hände schlagen können
und Worte verletzen,
Sehnsucht nach nie gekanntem,
weinen im Dunkeln
und Einsamkeit lieben.

Was ich mir bewahrte
ist Hoffnung

© Sibylle Silvia Helesic – 1983

Ich bin meine eigene Mutter geworden. Wie eine Hebamme habe ich mich in ein neues Leben gehoben, geboren, mich genährt und gepflegt. Schmerzhafte Geburtserfahrungen und doch zärtliche Liebe, zu mir, zum Leben. Ich habe eine Tochter geboren, sie mit meinem neuen Leben genährt und mit ihr den stummen Kreis der Opfer durchbrochen, die unsichtbaren Ketten aus Verschweigen und Vertuschen gesprengt. Ich liebe Dich wie mein Leben, Tochter. Lass uns uns die Reihe der starken Ahninnen fortsetzen und dieses Leben und diese Kraft zu leben weitergeben.

4 Gedanken zu „Mutter“

  1. Ein wunderschönes Gedicht, das mich sehr anspricht.
    Es drückt sehr viele meiner eigenen Erfahrungen aus und ich danke Dir dafür, daß Du es eingestellt hast.
    Ich bin die Mutter dreier Kinder, meine eigene bin ich gerade unter Schmerzen zu werden.

    Liebe Grüße und einen dicken Drücker
    Eulchen

  2. ach wie ist das schön!
    Ja, Du bist Deine eigene Mutter geworden, das ist so eine schöne Erfahrung … ich mach sie auch gerade und ich genieße es.

    Und Du gibst weiter von Deinem Reichtum, Deiner Freude + Fülle und Deiner Kraft!

    Ich hab Dich lieb, Mutter, Wölfin.

    Ganz liebe Grüßlis – Dagmar

  3. Hallo Silvia,

    du schreibst mir aus dem Herzen:

    „Ich bin meine eigene Mutter geworden. Wie eine Hebamme habe ich mich in ein neues Leben gehoben, geboren, mich genährt und gepflegt. Schmerzhafte Geburtserfahrungen und doch zärtliche Liebe, zu mir, zum Leben.“

    Mir geht es genauso, ganz genau so. Mir blieb gar nichts anderes übrig, sonst hätte ich nicht überlebt 🙂

    Tochter habe ich keine geboren, auch keinen Sohn, und so betrachte ich mich zuständig für alle Kinder dieser Erde. Ein Höllenjob 😉

    Liebe Grüße,
    Hannelore

  4. Gefällt mir gut 🙂

    Einen schönen Muttertag wünsch ich dir !

    Hier ist der Teufel los 5 kleine Ableger halten mich in Trab, aber das ist das schönste, was es gibt !!

Kommentare sind geschlossen.