Mangelfiktion

Mangelfiktion – Mangelidentifikation? Was ist das denn? Dieses Wort begegnete mir in einem Fachartikel heute morgen auf meinem Scheibtisch. Im Artikel ist die Rede von Paaren in denen einer oder beide Partner ihre Beziehung nur über den Mangel definieren. Fiktion = kommt aus dem lateinischen von fictio, was so viel heißt wie Erdichtung (Quelle: Wikipedai), auch Erdichtung des Mangels.

Nehmen wir mal den im Internet auf so vielen Seiten zitierten Spruch „wir sind alle Engel mit einem Flügel und damit wir fliegen können müssen wir uns umarmen“ Oder auch noch „Mann und Frau waren früher eine Kugel und immer zusammen, bis die Götter neidisch wurden und die Kugel mit einem Schwert in zwei Hälften trennte. Seitdem suchen alle nach ihrer (bessern) Hälfte.“

Ich nenne das Energievampirismus. Viel besungen in Herz-Schmerz Liedern und Gedichten. Tragik per Wort, von den großen der Literatur bis Lieschen und Otto Müller.

Daraus entsteht das “ohne dich kann/will ich nicht leben” Selbst nicht lebensfähige Partner, die in der Liebesbeziehung die Erfüllung für all ihren Mangel und scheinbare Defizite suchen. Der jeweils andere wird zur Wunscherfüllungs- und Defizitausgleichsmaschine und wehe, das klappt mal nicht. Oh, dann wird geklagt, erst mal über sich selbst “man sei es ja nicht wert geliebt zu werden, weil….” oder wie böse der jeweils andere ist, den Schmerz nicht zu erkennen und nicht mitzuspielen. aber beim nächsten wird es sicher klappen… oder das Spiel geht wieder von vorne los. Dann wird sich gewundert “niemand versteht mich – niemand liebt mich”… Ab zur nächsten großen Liebe und die Enttäuschung ist vorprogrammiert. Fluchtgedanken bekomme ich dabei.

Hoppla, das hier ist doch die Rubrik Liebe, bisher ist die leer? Ja, weil Leben ist Liebe und Liebe ist Leben. Keine-Herz-Schmerz-Bussi-Tränchen-Diddel? *seufz*

Mein Philosophie:

Jede Freundschaft beinhaltet Liebe und jede Liebe Freundschaft.

Möchte ich einen einflügeligen Partner? Oder einen der nur halb ist? Nein Danke!
Ich bin 100% selbständig und lebensfähig und daher kann mein Partner nur 100% auch so sein. Zusammen sind wir dann 200%. Also mehr als das Mangelpaket halb und einflügelig.

Ich hab so einen und es lebt und liebt sich wunderbar 😉 Liebe ist wie das Meer, manchmal ist es weit draußen, fast könnte man meinen es wäre nicht mehr da und dann stürmt die Brandung wieder gegen den Strand… und so wird es beständig sein, ich vertraue einfach darauf und ich tue etwas dafür.

Anne Morrow Lindbergh schreibt dazu etwas, was mir sehr gut gefällt.

»Wenn man jemanden liebt, liebt man ihn nicht ständig und nicht dauernd in gleicher Weise. Das ist unmöglich, es ist sogar eine Lüge, so zu tun, als ob. Und doch verlangen die meisten Menschen genau das von uns. Wir haben so wenig Vertrauen in Ebbe und Flut von Leben, Liebe, Beziehungen. Wir stürzen uns begeistert in die Flut der Zeit und verweigern uns mit Entsetzen jeder Ebbe, weil wir fürchten, dass die Flut nie wiederkommt. Wir drängen auf Beständigkeit und Dauer, wo doch die einzig mögliche Kontinuität im Leben wie in der Liebe Wachsen, Fließen, Freiheit ist. Die einzig wirkliche Sicherheit liegt nicht im Besitz, nicht im Fordern oder Erwarten, nicht einmal im Hoffen. Die Sicherheit in einer Beziehung liegt weder im Blick zurück auf das, was sein könnte, sondern im Leben, in der Gegenwart und im Akzeptieren dessen, was ist.«

5 Gedanken zu „Mangelfiktion“

  1. Toller Text. Absolut präzise auf den Punkt gebracht. Das mit den halben Engeln war zwischen meiner Noch-Ehefrau und mir vor achtzehn Jahren eines der ersten Zoffthemen unserer Beziehung. Ich will keinen halben Engel sondern ne ganze Frau. Keine Ego-Krücke sondern eine Partnerin. Ohne ganzes „Ich“ kein ganzes „Du“ und ohne ganzes „Du“ keine wirkliche Beziehung.

  2. Mir erscheint es einleuchtend, dass man sich in den/die verliebt, die gerade das hat, wo man selbst Defizite hat und dass der Antrieb dazu aus der Sehnsucht kommt, ganz zu werden.

    Dramatischerweise entwickelt sich eine solche Liebesbeziehung, in der jeder im anderen das als Stärke bewundert, wo ihm7ihr bei sich selbst der eigenen Zugang fehlt, so, dass jeder das weiter ausbaut, was er sowieso gut kann und erst recht das brach liegen und verkümmern lässt, wo er von vornherein Defizite hat. Ganz klar, dass der heimliche – oder auch offen geforderte Anspruch „Mach mich glücklich!“ nicht aufgehen und eingelöst werden kann!

    Viel fruchtbarer ist es, mit anderer Haltung in die Liebesbeziehung zu gehen. Wir können davon ausgehen, dass wir vollständig sind, und alles in uns finden, was wir zu unserer Ganzheit benötigen. Manches ist allerdings von uns abgetrennt in dem Sinne, dass wir den Zugang nicht finden/verloren haben. Wenn der andere (der Partner/die Partnerin) nun so faszinierende Eigenschaften hat, die uns so locken und die Sehnsucht nach vollkommenem Glück so weckt, dann sollten wir das als Anlass nehmen, den Zugang in uns selbst zu genau solchen Anteilen in uns zu suchen. Der andere kann uns dann so eine Art Lehrer oder Vorbild sein (hochgegriffen ausgedrückt). Wenn wir uns das sehr bewusst machen, dann sind unserer sich ergänzenden Defizite der reine Segen … könnten es sein…

  3. Guten Morgen Du Liebe, Schöne, Besondere – ich vermisse Dich!
    Wie oft definiert sich die Frau (und sicher auch manche Männers) nur über ihren Partner, fühlt sich unwert + unvollständig, wenn sie alleine ist und das wird kräftig unterstützt von Gesellschaft + Medien!
    Kürzlich wurde zu meiner Cousine gesagt „ach, sie sind alleine?!! Kein Wunder das sie nicht ausgelastet sind, ihnen fehlt etwas im Leben!“ *kreisch* …. immer noch + kaum wegzukriegen diese Einstellung.
    Ich jedenfalls bin ein Ganzes und bin glücklich mit mir selber, brauch niemanden zur Ergänzung von mir selber und das wünsche ich von HErzen, daß diese Einsicht sich immer weiter ausbreitet unter den Frauen.
    Jede Einzelne von uns ist wunderbar, vollständig und ganz, und das sollten wir uns immer wieder sagen.
    Liebe Eine, Ganze, Vollständige – ich wünsche Dir einen wunderbaren Tag – Dagmar

  4. Liebe Silvia,
    „Liebe ist wie das Meer, manchmal ist es weit draußen, fast könnte man meinen es wäre nicht mehr da und dann stürmt die Brandung wieder gegen den Strand… und so wird es beständig sein, ich vertraue einfach darauf und ich tue etwas dafür.“ Das ist super! Genauso empfinde ich es auch – und ich bin sehr froh, genau wie Du einen Partner getroffen zu haben, der mit mir zusammen die 200% ausmacht.
    Liebe Grüße,
    Sianna

  5. Liebe shaman-ca,

    Du sprichst mir aus der Seele. Wahrscheinlich müssen die meisten Menschen erst lernen, daß man nicht jeden Augenblick gleich intensiv liebt. Ich habe es auf alle Fälle lernen müssen und seitdem diese Erkenntnis „klick“ gemacht hat in meinem Kopf, geht es mir wesentlich besser und ich bin zufriedener und glücklicher in meiner Beziehung. Wir sind nicht nur ein Liebespaar, sondern auch beste Freunde – ohne dies könnten wir unsere Beziehung auch nicht so führen wie wir das tun. Ich bin frei, ich bin eigenständig und ich bin nicht nur „Teil eines Ganzen“.

    Vielen Dank für diese schönen Worte, es lohnt sich immer, sich ab und an daran zu erinnern 😉

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