Kastanien

Es ist leicht neblig auf meinem Weg, doch die Sonne läßt sich dahinter erahnen.

Ich bücke mich und betrachte die Kastanien, die auf der Erde liegen. Teilweise offen sind die stacheligen Hüllen und geben den Blick frei auf die glänzende Frucht im Inneren, andere sind fest geschlossen.

Bilder aus der Kindheit. Wo war ich damals? Ganz tief in mir sehe ich ein zartes Leuchten. Da bin ich. Alles meine Träume, Wünsche, die Zartheit sind da innen, gut geschützt, das können sie mir nicht nehmen. Noch nicht einmal Stacheln nach außen sind da, einfach nur eine weiche Schützhülle, die aber trotzdem stark genug ist, mein Inneres vor ihnen zu verbergen. Nach außen gespielte Gleichgültigkeit, kein wehren, aufbegehren. Ich trug alles Schöne nach innen in meine Hülle und das Grauen blieb draußen. Drinnen war es still, sehr still. Ich kauerte an das Fell der Wölfin, spürte ihren warmen Atem und ihren Schutz.

Irgendwann, spät, begann ich stolpernd den Weg nach außen zu suchen, folgte den Fährten der Wölfe.

Eine glänzende runde Kastanie liegt in meiner Hand. Sie fühlt sich warm an und sehr lebendig. Ich danke allen denen die mich begleiten.

Lächeln

Im Frühjahr war ich dem Dorf in dem ich viel Zeit in meiner Kindheit verbrachte. Ein Fassadendorf, bestehend aus „das darf man nicht – das darf ein Mädchen nicht – und ganz besonders und an 1. Stelle immer wieder gerne genommen „was sollen die Nachbarn von uns denken? …. usw.“

Ich fragte mich auf der Reise in die Kindheit „was hat mich (über)leben lassen?“ Hier, die Kastananien gaben mir ein Bild zum Gefühl.

Vergangenheit war gestern und heute ist mein Leben. Kein Blick zurück im Zorn, alles erledigt. Keine Anklage und keine Selbstanklage, kein (auf)wühlen in alten Schmerzen mehr.

Ich tanze ein bisschen, vorsichtig… es ist morgen und Leute unterwegs in der Allee… egal, mir ist danach 😉 Ich fühle mich leicht und frei und ich lächle mich an und den Radfahrer, der fast vom Rad fällt, so erstaunt ist er, er lächelt aber zurück. Irgendwie ist mir nach Weltumarmen zumute. Laub wirbelt auf, Sonne kommt um die Ecke. Ich bin frei zu tun oder zu lassen was immer ich will.

Lächeln ~ Stille ~ Ruhe ~ Glück ~ angekommen ~ zu Hause

Ich nehme eine runde, glänzende, braune Kastanie mit und lege sie auf meinen Schreibtisch. Danke!

für dich

Es gibt keinen Ort für mich
Unbehütet, ohne Stamm
Unterwegs
Verrückt
Harfen-im-Kopf
Verrückte.

Und Du?
Du mit Deiner seltsamen Seele,
Die aus Deinen Augen hängt.
Es gibt keine Ort
Für Dich
Nirgendwo

Lass uns wandern in der Welt
Zusammen.
Zusammen
Werden wir verteidigen diese stolze
Entfremdung
Jede von uns
Eine Nation.

von: Barbara Starret
aus: ich träume weiblich* – Essays und Gedichte

Tiefe

Mit brutaler Ehrlichkeit umarme ich dich

schonungslose Offenheit im Blick
öffne ich dir die Unergründlichkeit
des innersten Sanktum meiner Seele
Nimm, nimm alles!!
Und gib, lass mich trinken das Mana
Deiner Seele aus Deinen Augen,
von deinen Lippen.
Wie sonst leben?
Wie sonst lieben?
Halbheiten?
Nein, die Zeit der Tändeleien ist vorbei
das Spiel des Lebens erfordert
die Narrheit der unbedingten Liebe
und Hingabe an das Leben.

Sprich mit mir
die stummen Worte Deiner Hände,
Deiner Blicke durchdringen meine Haut
abgrundtief und nimmersatt.

Ich bin die Rebellin meines Herzens
die Revolutionärin der Sinnlichkeit
die Närrin meiner Seele
bin von der Klippe gesprungen
in das eiskalte schwarze Nichts
bin in meinen Armen gelandet
nie an der Wahrheit gestrandet
ich bin!
…was immer ich sein will

© AnamCara – Sibylle Silvia Helesic